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Chinesische Trommeln - die Zweite

Juni 2009, überarbeitet Oktober 2009

Im Jahre 2006 hatte ich schon kurz über unsere Erfahrungen mit chinesischen Billig-Taikos berichtet (zum Artikel). Da es mittlerweile mehrere Anbieter von verschiedenen Billig-Trommeln gibt, wird es Zeit für eine Aktualisierung. Das scheint besonders notwendig, weil ich auch konkret von Schülern gefragt werde, ob sie sich eine Chinatrommel kaufen sollen:

Was ist in der Zwischenzeit geschehen?

  1. Die schwarzen Taikos gibt es weiterhin bei Ebay zu kaufen
  2. Karin Kaiser hat ihren "Taiko Drum Shop" eröffnet
  3. Bei Ebay sind neue rote China-Trommeln im Angebot
  4. Mir selbst wurden Korpus-Rohlinge aus China zum Kauf angeboten
  5. Besuch beim Miyamoto Drum Museum in Tokyo

Nachdem ich die roten China-Taikos von Karin Kaiser bisher nur von Fotos kannte, war ich froh, im April 2009 eine solche Trommel in der Kindergröße in die Hände zu bekommen. Wie auch schon auf den Bildern zu sehen ist, ist das Holz transparent lasiert und kommt ohne Spachtelstellen aus. Der Korpus ist im Vergleich "zur Schwarzen" etwas schwerer aber trotzdem noch sehr leicht. Das lässt darauf schließen, dass die Wandstärke des Holzes gering ist, also wie bei einem normalen Fass. Auch in den Maßen wurde nachgebessert. Die Trommeln sind höher (im Verhältnis zur Dicke) und entsprechen eher den Proportionen von Taikos aus Japan.

Da sich das Fell in der Struktur doch recht stark von unseren Rinderfellen unterscheidet, habe ich es als Schweinehaut eingestuft, was für chinesische Trommeln normal ist. Frau Kaiser hat mir allerdings persönlich versichert, dass es sich um Rind handelt. Da ich keine Fellprobe habe, um mir eine Expertenmeinung einzuholen, bleibt dieser Punkt für mich offen.

Der Rand ist wie bei den Schwarzen "mimi nashi" - also abgeschnitten. Ein Nachspannen ist leider nicht möglich. Überhaupt wirkten die Felle nicht so gut ausgedehnt und der Klang ist entsprechend nicht ganz so hoch - zumindest für die Größe.

Besuch des Miyamoto "Drum Museum"

Im Oktober 2009 besuchten wir in Tokyo das "Drum Museum" des Schrein- und Trommelbauers Miyamoto. Während in einem relativ kleinen Bereich auch einige wenige japanische Taikos stehen, werden auf der restlichen Fläche Trommeln aus der ganzen Welt ausgestellt.

Eine Okinawa-Trommel gab es auch. Benannt ist sie nach der zu Japan gehörenden Insel Okinawa. Die Insel ist durch Geschichte und geografische Lage stark chinesisch geprägt und so wundert es nicht, dass eine Okinawa-Trommel wie eine chinesische Trommel aussieht.

Was mir sofort auffiel war das Fell: von Farbe, Dicke und Struktur sieht es ganauso aus wie die Felle der mir bekannten Chinatrommeln - auf denen angeblich Rind ist. Also ging ich zur Museums-Betreuerin und fragte sie, ob sie Informationen zur Bespannung hat. Sie holte ihre Unterlagen, suchte nach der Okinawa und sagte dann kurz: "Pig", also Schwein. Zur Sicherheit zeigte ich noch auf eine kleine Shime Daiko und frage, ob es auch Schweinefell ist. "Oh no, that's cow" war die Antwort. Dann las sie weiter in ihren Unterlagen und fügte noch hinzu, dass die Schweinehaut umgedreht sei, also die Innenseite nach außen gedreht ist.

Das war natürlich eine interessante Information. Zurück in Deutschland rief ich beim Deutschen Lederinstitut an und fragte, ob sich eine Fellprobe zweifelsfrei analysieren lässt, was bestätigt wurde. Dies ist sogar zweimal für Chinatrommeln gemacht worden. In einem Fall wurde Rind angeboten und Schwein war drauf. Im anderen Fall sah das Fell wie eine Schweinehaut aus, war aber Wasserbüffel.

Schwein gehabt?

In China werden die Trommeln mit erheblich kürzeren Stöcken gespielt. Es wir sehr viel gewirbelt und der Schlag kommt hauptsächlich aus dem Handgelenk. Für diese Spielweise mag Schweinehaut auch geeignet sein. Beim Taiko hat eine Trommel viel mehr auszuhalten, denn die Stöcke sind größer und Schläge beginnen teilweise über dem Kopf und werden voll durchgezogen. Als Taiko eingesetzt wird eine China-Trommel natürlich erheblich schneller runtergespielt als bei der Originalspielweise. Da man die Felle nicht nachspannen kann ("mimi nashi" s.o.), müssen sie aus komplett getauscht werden. Da zwei Kuhfelle für eine 48cm Taiko (Felldurchmesser) ca. 120-150,- Euro kosten und eine gute Bespannung auch viel Arbeit macht, macht der Felltausch natürlich nur Sinn, wenn der Korpus eine gute Substanz hat. Bei den schwarzen Chinatrommeln übersteigt der Preis der Felle schnell die gesamte Trommel. Mal ganz davon abgesehen, dass der Korpus den Spannprozess wahrscheinlich nicht überlebt (Ich benutze zum Spannen 4 hydraulische Wagenheber je 5t). Die roten Chinatrommeln (K. Kaiser) sind stabiler als die schwarzen, und dürften etwa mit einem Weinfass vergleichbar sein. Bei letzteren muss man beim Spannen auch schon sehr aufpassen, dass sich der Korpus nicht "zum Ei" verzieht . Es wird also eine interessante Erfahrung wenn jemand die Chinatrommeln das erste Mal neu bespannt. Und es wird eine sehr interessante Erfahrung, wenn sich jemand für seine Gruppe/Schule gleich mit mehreren Chinatrommeln eingedeckt hat und diese gleichmäßig runtergespielt werden...

Strategie?

Die meisten Interessenten einer Chinatrommel sind auf der Suche nach einer günstigen und vor allem fertigen Trommel. Mangels Erfahrung macht sich aber kaum jemand Gedanken über die Qualität, und was mit der Trommel in wenigen Jahren ist. Damit geht es der Taiko nicht schlechter als anderen Musikinstrumenten. Musikschullehrer, deren Schüler mit Billig-Instrumenten aus Asien ankommen, können ein Lied davon singen.

Was ist also die mittelfristige Strategie beim Kauf einer Chinatrommel - wegwerfen oder neubespannen? Meine "Schwarze" ist ein Wegwerf-Kandidat. Alternativ würde ich eventuell versuchen, ein altes (und nicht zu dickes) Taikofell aufzuziehen und sehen, ob der Korpus den Spannvorgang überlebt. Wer für über 400,- Euro eine China-Trommel gekauft hat, wird sie sicherlich neu bespannen wollen. Warscheinlich wird das auch funktionieren - garantieren kann ich das allerdings nicht.

Eine weitere Strategie: Da man früher oder später zwangsläufig zum "Taikobespanner" wird, macht es doch Sinn, sich gleich eine Taiko zu bauen. Und der Klassiker, der sich dafür anbietet, ist ein Weinfass.

Weinfässer zu Taikos

Ursprünglich war es viel Arbeit ein echtes Weinfass umzuarbeiten. Seit die Firma Aßmann allerdings auf die Nachfrage reagiert hat und fertig verleimte Weinfässer verkauft, bleibt für den Taikobauer nur noch die Oberflächenbehandlung (Schleifen, Beizen, Ölen/Lackieren) und das Bespannen übrig. Eine großes 100l Fass kostet 250,- Euro. D.h. mit Fellen und Nägel bekommt man seine Trommel für ca. 400,- Euro Materialkosten. Dazu kommt natürlich die Spannvorrichtung, aber die braucht man irgendwann eh.

Wer 400,- Euro für einen Korpus investieren möchte und kann, sollte mal auf die Website meines Kollegen Christof Manhart gehen und sich die Körper ansehen, die aus einem Stück gedrechselt wurden. Die kommen einer Original-Taiko schon ganz nah. Ich selbst habe einen gekauft und bespannt und bin vom Ergebnis begeistert.

Unser Lehrer Peter Markus brachte 1998 zum ersten Workshop einen Satz Weinfass-Taikos mit nach Hamburg. Und 11 Jahre später bringt er weiterhin dieselben(!) Trommeln mit. Laut eigenen Angaben hat er seit 1997 17.000 Stunden Unterricht geben - und das meiste davon auf diesem Taiko-Satz. Die Weinfass-Taiko als günstige Alternative hat sich also mehr als bewährt. Und da verwundert es nicht, dass sogar viele Profi-Gruppen aus den USA auf Weinfässern trommeln.

Die "neuen roten Taikos"

Seit Frühjahr 2009 sind neue Taikos bei Ebay im Angebot, die genau wie die Schwarzen von Barbara Dönges über Ebay angeboten werden. Die sehen wirklich interessant aus: orginale Form, Fell mit japanischen "Ohren" und hohes Gewicht. Auch diese Trommeln kommen aus China, wie man mir auf Nachfrage mitteilte. Genaues kann ich natürlich erst sagen, wenn ich eine Trommel in die Hände bekomme.

"Meine" China-Korpora

Dann seien noch die Trommel-Körper erwähnt, die mir zum Kauf angeboten wurden. Sie sind aus Rüster und ebenfalls in Daubenbauweise hergestellt. Die Körper sind dickwandig und schwer, weil die Dauben gesägt und nicht gebogen sind. Maße, Proportionen und Form orientientieren sich an Original-Taikos. Also alles perfekt?

Vom Ergebnis ist gegen diese Körper wirklich nichts zu sagen. Aber wo kommt eigentlich das Holz her?

China's Wirtschaftswachstum baut im Wesentlichen auf Umweltzerstörung und Sozialdumping. In Russland werden ganze Wälder plattgemacht, auf nicht enden wollende Züge verladen, nach China stransportiert und dort verarbeitet. Und (fast) alle freuen sich, dass das so günstig ist. Ich hatte auf das Geschäft keine Lust.

Fazit

Echte Taikos aus Japan haben eine so gute Qualität, dass sie sich kaum reproduzieren lassen. Chinatrommeln - ich nenne sie bewusst nicht Taiko - haben mit einer japanischen Taiko fast nichts gemeinsam auch wenn die Form und die Farbe des Originals imitiert wird. Unglücklicherweise werden Chinatrommeln sogar nach Japan eingeführt und dann als vermeindliches Original (bei EBay) angeboten. Das nennt man dann Re-Import. Das ist ganauso zweifelhaft wie Schweinefelle als Rinderfelle anzubieten.

Als wir vor über 10 Jahren Taikos benötigten gab es die Billigtrommeln nicht - zum Glück. So bauten wir unsere ersten Shime Daikos selbst. Es folgten Weinfasstrommeln und mit unserer O-Daiko und später weiteren Miya-Daikos entstanden die ersten komplett selbstgebauten Trommelkörper, die sich auch vor Original-Taikos nicht verstecken müssen. Zugegeben: nur wenige haben das nötige Wissen und die Maschinen, um eine Taiko komplett zu bauen. Aber an das Bespannen eines fertigen Korpus sollte sich jeder herantrauen, und, da das bundesweit schon viele Trommler gemacht haben, wird sich sicherlich jemand finden, der einem mit Rat und Tat zur Seite steht.

Links zum Thema Taikobau

Fertige Taikos www.mytaikodrum.de
Fertige Taikos, Körper www.oliver-boldt.de/taiko/instrumente/miya
Nägel www.franke-polsternaegel.de
Rinderhaut hwww.banux.de